BIRCOwissenswert

Details

BIRCOwissenswert

Wasserautarke Situation im Schweizer Berggasthaus

Wassernutzung auf der Bergstation

01.05.2012 |

Wasserautarke Situation im Schweizer Berggasthaus

Vorbild und Vision für dezentrale Wasserversorgung der Zukunft? Aus Regenwasser wird Trinkwasser. Grauwasser dient zur WC-Spülung. Das gesammelte Abwasser wird nach der Saison vor Ort ausgebracht. Wo Trinkwasser Mangelware ist, entwickeln sich aus Not geboren spezielle Formen des Recycling. Berggasthäuser in den Alpen haben ihre eigenen Verfahren entwickelt.

Dem Bodensee am nächsten ist das Alpsteinmassiv, der nördlichste Teil der Schweizer Alpen. Bei gutem Wetter ist davon der Gipfel des Säntis am besten zu sehen. Einige Bergspitzen weiter östlich und 500 m tiefer ragt der Schäfler heraus, mit dem Säntis durch einen Grat verbunden. Auf dem Gipfel des Schäfler liegt der Gasthof auf 1924 m Höhe. Eigentümerin in der 3. Generation ist Familie Dobler-Rusch. Sie kann ihn wegen der extremen Witterung jedoch nur von Ende Mai bis in den Oktober hinein bewirtschaften. Ihre Gäste sind ausschließlich Bergwanderer, denn man erreicht dieses Restaurant und Übernachtungsquartier nur zu Fuß.

Im Berggasthaus Schäfler, Appenzell AI/Schweiz, existiert seit Jahrzehnten bereits eine simple Grauwassernutzung. Das Abwasser der Waschmaschine wurde innerhalb des Gebäudes in einem der m³ großen Kunststoff-Fass gesammelt. Um die Toiletten zu spülen, mussten daraus Krüge gefüllt werden. Drei Toiletten sind für die Gäste vorhanden. Wenn ein Krug leer war, wurde er durch das Personal wieder gefüllt und im WC bereitgestellt. Auf dem Schäfler ist neben Trinkwasser sparen auch Abwasser vermeiden eine Pflicht und somit ein weiterer Grund, Wasser sorgsam zu gebrauchen. Da wie bei den benachbarten Berggasthäusern Rotsteinpass und Stauberen keine Kanalisation existiert, muss die Abwassergrube regelmäßig geleert werden. Der Wirt Dölf Dobler ist verpflichtet, den Inhalt auf den umliegenden Wiesen zu versprühen. Wegen den weidenden Tieren der benachbarten Alm darf er dies jedoch erst ab einem bestimmten Stichtag im September. Ist seine Grube vorher voll, muss er den Gasthausbetrieb einstellen. Als Trinkwasserquelle nutzt Dobler zwei Regenwasserzisternen. Sie werden gespeist vom Dach des Gebäudes. Mit ihrem Fassungsvermögen von jeweils 10 m³ sind sie schon seit 1914 in Betrieb. Im Jahr 1970 wurde das Versorgungssystem um eine weitere 25 m³-Zisterne ergänzt. Dies ist die einzige Quelle für sämtlichen Frischwasserbedarf. Die Aufbereitung erfolgt durch UV-Desinfektion nach der Druckerhöhungsanlage. Um die Wirkung der UV-Strahlen zu optimieren, ist davor ein Melaminharzfilter eingebaut, der Schwebstoffe zurückhält und das Wasser damit gut lichtdurchlässig macht. Die für den Kanton zuständige Gesundheitsbehörde in der Stadt Appenzell nimmt ein Mal pro Jahr eine Probe und kontrolliert das aus der Zisterne stammende Wasser auf Übereinstimmung mit den gesetzlich vorgesehenen Werten. So genannte Trinkwasser-„Eigengewinnungsanlagen“ unterliegen (wie in Deutschland und anderen Staaten auch) in der Schweiz einer gesonderten Verordnung.

Im Zuge der Küchenerweiterung wurde 2009 anstelle des Kunststoff-Fasses ein größerer Behälter eingebaut und die Grauwassernutzung erweitert. Zusätzliches Wasser stammt aus dem Kondensat des Steamers, einem in der Küche stehenden überdimensionalen Dampfdrucktopf. Im WC können die Nutzer zur Spülung die Kannen nun selbst auffüllen, nachdem entsprechende Ventile in der Wand eingebaut wurden.

Die europäische Wasserwirtschaft wird in der Zukunft mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit wegen des demografischen Wandels und der Klimaänderung brauchen. Dabei kann das Schweizer Berggasthaus Schäfler, das unter extremen Randbedingungen die völlige Unabhängigkeit der zentralen Wasserver- und –entsorgungsstrukturen erreicht hat, für die Zukunft ein hilfreiches Vorbild sein.

(Autor und Bildquelle: Klaus W. König)

BIRCOchat