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Experteninterview "Filtration"
01.03.2012 |

Experteninterview „Filtration“ mit Professor Dierkes und Geschäftsführer Christian Merkel

Am 1. März 2010 trat das neue Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes in Kraft. Darin wird unter anderem eine erweiterte Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich Gewässerschutz vorgeschlagen. Die Bundesländer passen ihr jeweiliges Landesrecht den neuen Vorschriften an.

Herr Professor Dierkes, wie reagieren die Kommunen auf die Gesetzesänderungen?

Prof. Dr. Carsten Dierkes: Momentan herrscht Unsicherheit, was die Auslegung des WHG angeht. Es gibt einen so genannten Sollparagrafen, der besagt, dass Abwasser und Regenwasser nicht mehr vermischt werden sollen. Das hieße also, in Neubebauungen dürften keine Mischsysteme mehr verwendet, sondern nur noch im Trennsystem entwässert werden. Die vorhandenen Mischsysteme haben jedoch einen Bestandsschutz – niemand muss seine Kanäle aufreissen und ein doppeltes System mit einer zweiten Leitung bauen. Doch die immer öfter auftretenden Starkregenereignisse bringen bereits bestehende Mischsysteme an ihre Leistungsgrenze. Hier sind die Kommunen angehalten, Flächen auf denen Niederschlagswasser anfällt, aus dem bestehenden Kanalnetz abzukoppeln. Die Tendenz geht dahin, diese Regenereignisse dezentral zu entschärfen, das heißt, Wasser gezielt vor Ort mit vielen kleinen Anlagen zu versickern beziehungsweise zurückzuhalten.


Wie können Ihrer Ansicht nach die Kommunen die Regenwasserbehandlung regeln?

Dierkes: Kommunen werden in Zukunft mehr Trennsysteme in Neubaugebieten bauen. Gleichzeitig verlagern sie die Entwässerung aber auch mehr auf die Grundstückseigentümer. Doch was die genauen Vorschriften zur Regenwasserbehandlung angeht, sind die Bundesländer bei diesem Thema unterschiedlicher Ansicht: In Baden-Württemberg darf Wasser selbst von Ziegeldächern nicht ohne weiteres unterirdisch versickert werden. In anderen Bundesländern hingegen darf Wasser, das von reinen Dächern kommt, in Wohngebieten unterirdisch versickert werden, allerdings bevorzugt über flächige Anlagen wie Rigolen oder Sickerboxen.


Welche Entwicklungen sehen Sie in den kommenden Jahren für die Regenwasserbehandlung?

Dierkes: Der Trend geht dahin, nur den wirklich verschmutzten Teil des Niederschlagswassers zu behandeln. Insgesamt handelt es sich dabei um circa 20 Prozent. Das sind zum Beispiel Verkehrsflächenabflüsse. Schadstoffe fallen hier durch Bremsvorgänge, Auspuffgase oder Tropfverluste im Verkehrsflächenbereich an. In diesem Fall muss lokal gefiltert werden, dafür bieten sich dezentrale Systeme an. Sie sind oftmals im Vergleich zu einer zentralen Anlage wesentlich kostengünstiger, allerdings kommt es auf das Einzugsgebiet an.


Welche Rolle spielt die Filtration für das neue Regenwassermanagement?

Dierkes: Wasser, das von belasteten Flächen kommt, muss gereinigt werden. Und hierfür stellt die Filtration die beste Möglichkeit der Reinigung dar. Dementsprechend wird auch die Anzahl der Filtrationsanlagen in den nächsten Jahren stark zunehmen. In Form der zentralen Anlagen bieten sich Retentionsbodenfilter an. Bei dezentraler Behandlung gibt es zum Beispiel Rinnensysteme mit eingebautem Filter. Filtrationsarten, die ebenfalls eine Rolle spielen, sind die Substratfiltration, Mulden sowie unterirdische Filteranlagen, die in der Regel Filterkartuschen- oder kassetten enthalten.


Was sind die Vor- und Nachteile der Filtration?

Dierkes: Ein Vorteil, den die Filtration mit Rinnensystemen bietet, ist das relativ geringe Anschlussverhältnis zwischen angeschlossener, befestigter Fläche und der Filterfläche. Auf diese Weise bleibt das Filtersystem länger offen und verstopft langsamer. Eine Verstopfung des Filters lässt sich allerdings nicht gänzlich verhindern. Darin liegt ein Nachteil der Filtration. Verstopft das Filtersystem, staut sich das Wasser auf der zu entwässernden Fläche auf und zeigt dem Betreiber an, dass eine Wartung bzw. Reinigung erforderlich ist. Einen weiteren Vorteil bietet der Kartuscheninhalt einer Filtrationsrinne. Spezielle Substrate mit hohen Beladungskapazitäten für Schadstoffe reduzieren die Menge an Filtermaterial – und je weniger Filtermaterial entsorgt und damit in der Regel verbrannt werden muss, umso ökologischer ist es.


Wie können Kommunen die Reinigung und Wartung des Filtrationssystems sicherstellen?

Dierkes: Kommunen haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Reinigung und Wartung sicherzustellen. Zum einen kann eine unabhängige Institution, die zum Beispiel durch eine produktspezifische Schulung des Herstellers fachkundig in diesem Bereich ist, dies tun. Auch Kanalreiniger können die Reinigung und Wartung übernehmen, indem sie sich dafür zertifizieren lassen. Ein Zertifikat erhalten sie beim Hersteller des Systems, zum Beispiel durch eine Schulung. Eine zweite Möglichkeit bietet sich für große Kommunen, die einen eigenen Reinigungsbetrieb und Fuhrpark besitzen. Sie können die Reinigung und Wartung des Filtrationssystems selbst erledigen, wenn sie eine eigenständige Abteilung dafür haben.


Wie sieht für Sie die Zukunft der Filtration aus?

Dierkes: Kurzgesagt: Aus den Filterrückständen möglichst viele Stoffe zurückgewinnen – am besten an einem zentralen Ort. Stoffkreisläufe zu schließen, ist sicherlich die Zukunft der Filtration. Doch dafür muss noch viel getan werden. Die Entwicklung bewegt sich aber in diese Richtung, denn wir müssen uns über den Entsorgungs- und Recyclingweg Gedanken machen.


Herr Merkel, wie reagieren Unternehmen wie der Rinnenhersteller BIRCO auf diese Veränderungen?

Christian Merkel: Alle Unternehmen in diesem Bereich versuchen zur Zeit dezentrale Reinigungssysteme – wie Filtrationsanlagen – in ihr Programm aufzunehmen. Diejenigen, die das Ganze ernsthaft angehen, versuchen darüber hinaus eine Zulassung zu erwirken. Dies ist ein Grund, warum wir das Zulassungsverfahren in Berlin angestrebt haben: Durch die offizielle DIBt-Zulassung bieten wir Sicherheit für unsere Kunden. Aus Sicht der Wasserwirtschaft hoffen wir ebenfalls darauf, dass die Behörden darauf achten, dass keine ungeprüften Systeme eingebaut werden. In Bayern dürfen beispielsweise ausschließlich Anlagen mit DIBt-Zulassung eingesetzt werden. Nordrhein-Westfalen bringt ebenfalls einen Runderlass heraus genauso wie Berlin. Die seriösen Hersteller gehen diesen Weg mit geprüften und überwachten Anlagen, die die Güte und Funktion sicherstellen.


Was ist das Besondere am Filtersystem BIRCOpur®?

Merkel: Das Filtersystem BIRCOpur® ist mehrstufig und modular aufgebaut. Die einzeln austauschbaren Module, eine Sedimentationsbox und ein Granulatfilterkissen mit Leitblech, sorgen für eine gleichmäßige Filtration. Das hochwertige Filtergranulat innerhalb des Systems bindet die Stoffe und lässt nur gereinigtes Wasser zurück in den Wasserkreislauf. Dieser Aufbau bietet gleichzeitig auch Vorteile für Wartung und Sicherheit. Denn die Sedimentationsbox dient zur Grobreinigung und verhindert das Zusetzen des Filterkissens. Dieses muss deshalb nur circa alle zehn Jahre ausgetauscht werden.


Worin bestehen die wesentlichen Vorteile in der Anwendung?

Merkel: Dank des modularen Aufbaus kann die Filtereinheit unabhängig von den Schmutzfrachten eingesehen und geprüft werden. Ein Vermischen findet ebenso wenig statt wie ein „Verbacken“ des Filtermaterials – eine dauerhafte und gleichmäßige Filterleistung ist das Ergebnis. In Zukunft werden außerdem Wartungsverträge angeboten, die die Sicherheit der Anlage langfristig gewährleisten. BIRCOpur® ist somit das erste Rinnen-Filtrationssystem mit dauerhafter Funktionssicherheit.

 
Zur Person
Prof. Dr. Ing. Carsten Dierkes ist als Professor für Wasserwirtschaft mit dem Schwerpunkt Abwasser an der Fachhochschule Frankfurt tätig. Darüber hinaus ist er unter anderem Mitglied im Sachverständigenausschuss „Bauprodukte und Bauarten zur Behandlung und Versickerung von mineralölhaltigen Niederschlagsabflüssen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt).

Zur Person
Christian Merkel ist seit Dezember 2006 Mitgesellschafter und Geschäftsführer des Baden-Badener Entwässerungsspezialisten BIRCO GmbH. 1927 gegründet, gehört BIRCO zu den führenden Anbietern von Rinnensystemen in Europa

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